Kontaktverbot: Vater verbietet Nachbarin den Kontakt zum Kind

Auch wenn beide getrennt lebenden Eltern sorgeberechtigt sind, muss ein Vater nicht erst die Zustimmung der Mutter einholen, um einer Nachbarin den Kontakt zum Kind zu verbieten, so die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az. 9 UF 24/14).

Der Sachverhalt

Wie die Deutsche Anwaltshotline mitteilt, pflegt ein Vater zu seiner fünfjährigen Tochter zu festen Zeiten regelmäßigen Umgang. Während der gemeinsamen Zeit möchte er jedoch nicht, dass die Nachbarin Kontakt zum Kind aufnimmt. Die ältere Dame aber wollte es sich nicht verbieten lassen, wie jeden anderen Dorfbewohner auch, das Kind freundlich zu grüßen.

Daraufhin ging der Vater vor Gericht und wollte ein Kontakt- und Näherungsverbot erwirken. Das Amtsgericht konnte aber keinen schädlichen Einfluss von der Frau feststellen. Außerdem könne der Vater ein solches Kontaktverbot nur gemeinsam mit der Kindesmutter aussprechen und durchsetzen, weil es sich um eine grundsätzliche Regelung für das Kind handele, für die eine Vertretungsberechtigung nur beider Eltern gemeinsam bestehe.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (9 UF 24/14)

Nach Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg (Az. 9 UF 24/14) ist der Vater gemäß §§ 1632 Abs. 2, 1687 Sätze 2 bis 4 BGB als (Mit-)Inhaber des elterlichen Sorgerechts in den hier allein streitigen Zeiten seines persönlichen Umgangs mit der Tochter allein berechtigt, den Umgang bzw. Art und Umfang der Kontaktpflege des Kindes für und gegen Dritte zu regeln.

Hierbei handelt es sich entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung nicht um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung, die eine – vorliegend unstreitig nicht bestehende – beiderseitige Übereinstimmung der sorgeberechtigten Eltern bedürfte. Gemeinsam getragener Entscheidungen der sorgeberechtigten Eltern bedarf es nur in Angelegenheiten von – objektiv – erheblicher Bedeutung für die Belange des Kindes.

Das sind solche, die nicht häufig vorkommen und auch deshalb in aller Regel erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben oder haben können und in ihren Folgen nur mit einigem Aufwand zu beseitigen sind (vgl. MüKo-BGB, 6. Aufl., § 1687 Rdnr. 3). Solche Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sind etwa die Bestimmung des (ständigen) Lebensmittelpunktes des Kindes, die Wahl der Schule, die Durchführung von medizinischen Eingriffen, die religiöse Erziehung oder ähnlich gravierende Entscheidungen (vgl. weitergehend die Beispiele bei MüKo-BGB, a.a.O., § 1687 Rdnr. 10).

Davon abzugrenzen sind die Angelegenheiten des täglichen Lebens, die häufig vorkommen und ohne gravierende Auswirkungen für die Entwicklung des Kindes bleiben (vgl. die Beispiele bei MüKo-BGB, a.a.O., § 1687 Rdnr. 14). Eine Angelegenheit kann für das Kind auch je nach Alter von unterschiedlicher Bedeutung sein (vgl. Palandt-Götz, BGB, 73. Aufl., § 1687 Rdnr. 4).

Im Streitfall geht es um – mehr oder weniger flüchtige – Kontakte eines Dritten, der unstreitig in keinem sozial-familiären oder auch nur losen freundschaftlichen Näheverhältnis zum Kind steht. Deswegen könne der Vater solche Entscheidungen alleine treffen.

Gericht:
Oberlandesgericht Brandenburg, Beschluss vom 13.01.2015 – 9 UF 24/124

OLG Brandenburg
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Impfung: Wenn sich die Eltern nicht über die Impfung ihrer Kinder einig sind…

Die getrennt lebenden Eltern stritten sich darüber, ob ihre Kinder geimpft werden sollen. Der Vater war strikt dagegen und die Mutter wollte die üblichen Impfungen durchführen lassen. Die Mutter beantragte vor Gericht, ihr die Alleinentscheidungsbefugnis zur Durchführung der Impfungen zu übertragen.

Der Sachverhalt

Zunächst waren sich die Eltern noch darüber einig, dass die bei der Mutter lebenden Kinder in der ersten Lebenszeit nicht geimpft werden sollen. Der Vater der Kinder war von Beginn an sehr impfkritisch eingestellt. Die Mutter änderte jedoch ihre Meinung, nachdem sie Gespräche mit der Kinderärztin geführt hatte.

Diese riet zu der Impfung nach dem Empfehlungen der sogenannten „ständigen Impfkommission“. Dabei seien Impfungen gegen Keuchhusten, Pneumokokken und Tetanus sowie Diphterie sinnvoll. Die Kindesmutter bat den Kindesvater um Zustimmung zu den geplanten Impfungen. Dieser lehnte jedoch ab. Die Kindesmutter beantragte vor Gericht, ihr die Alleinentscheidungsbefugnis zur Durchführung der Impfungen zu übertragen.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Darmstadt (Az. 50 F 39/15 SO)

Die Mutter habe die Befugnis zur Entscheidung über die in Rede stehenden Impfungen gemäß § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB, so der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt (Az. 50 F 39/15 SO). Hierbei handele es sich um eine Entscheidung des täglichen Lebens.

Aus dem Urteil: […] Die Entscheidung, die in Rede stehenden Impfungen vorzunehmen, ist eine sogenannte Entscheidung in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens (sog. Alltagssorge, vgl. auch OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 07.06.2010, 2 WF 117/10). Bei den in Rede stehenden Impfungen handelt es sich um Schutzimpfungen, welche allgemein empfohlen werden. Die Impffrage ist Teil der sogenannten U-Vorsorgeuntersuchungen, welche ihrerseits zur Alltagssorge gehören. Darüber hinaus sind es Impfungen, welche von der weitüberwiegenden Mehrheit der Bevölkerung vorgenommen werden. Der Lebenswirklichkeit, somit der häufigen und regelmäßigen Vornahme dieser Impfungen, entspricht es, dass die Entscheidung von demjenigen zu treffen ist, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass die in Rede stehenden Impfungen die unmittelbare Gesundheitssorge betreffen und von den durchgeführten Impfungen auch das Verhalten im Alltag abhängig ist. So kann beispielsweise eine nichtvorhandene Tetanusimpfung den betreuenden Elternteil davon abhalten, die Kinder an bestimmten Stellen im Freien spielen zu lassen. Daher ist es folgerichtig, die Entscheidung durch den Elternteil treffen zu lassen, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten. Schließlich ist der Elternteil, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten, regelmäßig derjenige, welcher über den Gesundheitszustand der Kinder am besten informiert ist. […]

Die Entscheidung Kinder nicht zu impfen ist nicht mehr „alltäglich“ im Sinne des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Folgen des Nichtimpfens sind gegebenenfalls derart gravierend, dass die Angelegenheit erhebliche Bedeutung erlangen kann.

Gericht:
Amtsgericht Darmstadt, Beschluss vom 11.06.2015 – 50 F 39/15 SO

AG Darmstadt
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Ehevertrag: Sittenwidrigkeit von Verträgen zwischen Eheleuten

Die Ehefrau macht geltend, der Ehevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der Vertrag sei auf Drängen des Ehemannes zu Stande gekommen. Der Ehemann habe ihr erklärt, der Vertrag diene ihrer Absicherung. Sie habe dem Ehemann blind vertraut und sei über den Tisch gezogen worden.

Der Sachverhalt

Wenige Wochen nach der Heirat im Jahr 1993 schlossen die damals 22-jährige Büroangestellte und der 27 Jahre alte, als selbständiger Vertriebsleiter einer Bausparkasse tätige Ehemann einen notariell beurkundeten Ehevertrag, in dem der Zugewinnausgleich ausgeschlossen wurde und Gütertrennung vereinbart wurde.

Auf nachehelichen Unterhalt wurde auch für den Fall der Not verzichtet, es sei denn der Verzichtende habe Kinder zu betreuen, die noch nicht 7 Jahre alt sind. Allerdings wurde der Unterhaltsanspruch für diesen Fall erheblich begrenzt. Eine Vereinbarung über den Ausschluss des Versorgungsausgleichs wurde nicht getroffen.

Seit 1994 war die Ehefrau im Büro des Ehemanns als Angestellte beschäftigt. 2001 und 2004 wurden gemeinschaftliche Kinder geboren. 2007 erkrankte die Ehefrau an Krebs. In dieser Zeit nahm der Ehemann ein außereheliches Verhältnis auf. Die Eheleute trennten sich 2011. Der Scheidungsantrag wurde der Ehefrau 2013 zugestellt.

Die Ehefrau machte geltend, der Ehevertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Der Vertrag sei auf Drängen des Ehemannes zu Stande gekommen. Der Ehemann habe ihr erklärt, der Vertrag diene ihrer Absicherung und der Absicherung der Selbstständigkeit des Ehemannes. Sie habe dem Ehemann blind vertraut und sei über den Tisch gezogen worden.

Während der Ehemann erhebliches Vermögen während der Ehezeit gebildet habe, sei dies der Ehefrau nicht möglich gewesen. Der vereinbarte Unterhaltsverzicht treffe die Ehefrau besonders hart, da sie durch die Rollenverteilung in der Ehe gehindert gewesen sei, sich im Beruf weiterzubilden und eine eigene Invaliditäts- und Altersversorgung aufzubauen. Diese Altersversorgung müsse sie nun mit ihrem Ehemann teilen, während das von ihm gebildete Vermögen einer Teilung nicht unterliege.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Az. 20 UF 7/14)

Der Senat hielt den Vertrag zwar für objektiv sittenwidrig. Die Vereinbarungen führten vorhersehbar dazu, dass im Scheidungsfall die Ehefrau nicht an der vom Ehemann aufgebauten Altersversorgung, wohl aber der Ehemann an der von der Ehefrau aufgebauten Altersversorgung, partizipieren würde.

Auch der vereinbarte, weitgehende Verzicht auf nachehelichen Unterhalt bzw. dessen Begrenzung bewirkte objektiv eine einseitige, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung zum Nachteil der Ehefrau. Aus diesen objektiv einseitig belastenden Regelungen kann jedoch nur dann auf die erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden, wenn sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten widerspiegelt.

Dass die Ehefrau sich bei Abschluss des Ehevertrages objektiv oder subjektiv in einer gegenüber dem Ehemann erheblich unterlegenen Verhandlungsposition befunden hätte, konnte nicht festgestellt werden. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Abhängigkeit der Ehefrau im Rahmen von Eheschließung und Abschluss des Ehevertrages bestanden nicht. Der Abschluss eines nachteiligen Ehevertrages im blinden Vertrauen auf den anderen Ehegatten ist keine gemäß § 138 BGB sittenwidrige Übervorteilung.

Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 12.12.2014 – 20 UF 7/14

OLG Karlsruhe, PM
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Neue Düsseldorfer Tabelle ab 01.08.2015

Zum 01.08.2015 wird die „Düsseldorfer Tabelle“ geändert. Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden erhöht. Die Erhöhung der Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder beruht auf dem am 22.07.2015 verkündeten Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags.

Neue Düsseldorfer Tabelle ab 01.08.2015

Der steuerliche Kinderfreibetrag für das Jahr  2015 steigt von bisher 4.368,00 € um 144,00 € auf 4.512,00 €. Unter Berücksichtigung des neuen Kinderfreibetrags von 4.512,00 € steigt der Mindestunterhalt

  • eines Kindes bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (1. Altersstufe) von bisher mtl. 317,00 € auf mtl. 328,00 €,
  • eines Kindes vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) von mtl. 364,00 € auf mtl. 376,00 €
  • und der eines Kindes ab dem 13. Lebensjahr bis zu Volljährigkeit (3. Altersstufe) von bisher mtl. 426,00 € auf mtl. 440,00 €.

Der Unterhalt volljähriger Kinder berechnet sich nach dem Bedarfssatz der 3. Altersstufe zuzüglich der Differenz zwischen der 2. und 3. Altersstufe. Er steigt daher von mtl. 488,00 € auf mtl. 504,00 €.

Zwar wird der steuerliche Kinderfreibetrag rückwirkend zum 01. Januar 2015 erhöht, die Unterhaltssätze steigen jedoch erst ab dem 01. August 2015.

Das Kindergeld wird rückwirkend zum 1. Januar 2015 um jeweils 4,00 € erhöht und zwar von monatlich 184,00 € auf 188,00 € für ein erstes und zweites Kind, von 190,00 € auf 194,00 € für ein drittes Kind und von 215,00 € auf 219,00 € für das vierte und jedes weitere Kind. Das Kindergeld ist in der Regel zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ist für das Jahr 2015 bei der Berechnung des Zahlbetrages jedoch nicht von den erhöhten, sondern von den bisherigen Kindergeldbeträgen (184,00 €, 190,00 € und 215,00 €) auszugehen.

Weitere Erhöhungen zum 1. Januar 2016

Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden sich voraussichtlich zum 1. Januar 2016 weiter erhöhen, da der steuerliche Kinderfreibetrag zu diesem Zeitpunkt von 4.512,00 € auf 4.608,00 € steigen wird. Da deshalb die ab dem 01.08.2015 gültige Tabelle zum 01.01.2016 aufgrund dieses höheren Kinderfreibetrages wohl erneut eine Änderung zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder erfahren wird, sind mit der Neufassung der Tabelle zum 01. August 2015 nur die Bedarfssätze angepasst und von weiteren Änderungen – etwa Erhöhung des Bedarfs für Studenten von derzeit 670,00 € – zunächst abgesehen worden. Diese bleiben der Änderung der Tabelle zum 01.01.2016 vorbehalten.

Hier finden Sie die Düsseldorfer Tabelle 2015 Stand: 01.08.2015 im pdf-Format auf der Seite des OLG Düsseldorf.

OLG Düsseldorf
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Mutter verweigert den Umgang mit dem gemeinsamen Kind

Vor dem OLG München haben die getrenntlebenden Eltern eine Vereinbarung zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind getroffen. Doch die Mutter hielt sich nicht an die Vereinbarung und sagte den Umgang immer kurzfristig ab. In so einem Fall kann vom Gericht die Anwendung von unmittelbarem Zwang angeordnet werden.

Der Sachverhalt

Die Eltern vom 7-jährigen Michael (Name geändert) haben sich getrennt und Michael lebt nun bei seiner Mutter in München. Vor dem Oberlandesgericht München haben die Eltern eine Vereinbarung zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind getroffen. Danach darf der Vater seinen Sohn alle 14 Tage am Samstag sehen.

Das funktionierte lediglich zweimal, danach gab es ständige Absagen durch die Mutter. Zu jedem Termin war Michael erkrankt, ohne jedoch geeignete Atteste vorzulegen, die das belegen. Ein anderer Umgangstermin wurde von der Mutter mit der Begründung abgesagt, dass Michael zu einer Feier eingeladen sei und nicht kommen könne.

In einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht München hat sie bereits 1 Tag Ordnungshaft bekommen im Jahr 2013, weil sie sich auch damals nicht an die Umgangsregelung gehalten hat. Der zuständige Familienrichter am Amtsgericht München erließ einen Beschluss, dass zur Durchsetzung des Umgangsrechts des Vaters unmittelbarer Zwang (nicht gegen das Kind) angeordnet wird. Er beauftragte einen vom Gericht bestellten Umgangspfleger mit der Vollstreckung unter Zuhilfenahme von einem Gerichtsvollzieher und der Polizei, wobei die Wohnung der Mutter betreten werden darf.

Die Aussage des Kindes vor Gericht

Michael sagte vor Gericht aus, dass er seinen Papa zweimal gesehen habe. Es sei cool gewesen, mit ihm Fußball zu spielen und zu Burger King zu gehen. Er möchte den Papa wiedersehen und könnte ihn auch alleine bei sich treffen oder Papa könne zu ihm nach Hause kommen, was aber die Mama nicht möchte. Er könnte mit Papa zum Schwimmen ins Schwimmbad gehen. Michael möchte den Papa wieder öfter sehen, weil er noch mit ihm Karten spielen müsse.

Jedes mal wurde die Wohnung aufgebrochen

Mit Beschluss vom 16.6.2015 hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Richters am Amtsgericht bestätigt. Daraufhin gewährte die Mutter im Juli 2015 viermal (freiwillig) den Umgang. In der Folgezeit kam es zu keinen weiteren Treffen. Daraufhin wurde unmittelbarer Zwang bei zwei Umgangstreffen im Oktober angewendet. Jedes Mal wurde die Wohnung aufgebrochen, aber Mutter und Kind wurden nicht angetroffen.

Der zuständige Richter hat daraufhin den Umgangsbeschluss abgeändert und Ende Oktober 2015 festgelegt, dass das Kind jeden Freitagnachmittag zum Vater darf. Diese Reglung scheint nun zum Ziel zu führen. Sie wird weitgehend eingehalten.

Rechtsgrundlagen:
§ 90 FamFG Anwendung unmittelbaren Zwanges

Gericht:
Amtsgericht München, Beschluss vom 13.03.2015

AG München
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Entfällt die Unterhaltspflicht nach einer weiteren Kindsgeburt?

Patchworkfamilien sind keine Seltenheit. So leben mittlerweile viele minderjährige Kinder mit nur einem Elternteil und dessen neuen Lebensgefährten/neuer Lebensgefährtin unter einem Dach. Aus diesen Beziehungen gehen häufig erneut Kinder hervor – was unterhaltsrechtlich aber oftmals für Streitigkeiten sorgen kann.

Kann ein Unterhaltspflichtiger wegen der Betreuung eines Neugeborenen nämlich keiner Beschäftigung mehr nachgehen und daher auch keinen Unterhalt mehr an ein von ihm getrennt lebendes Kind zahlen, ist Streit vorprogrammiert. Es stellt sich dann die Frage, ob die Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit entfällt oder ob sich der Unterhaltspflichtige ein fiktives Einkommen zurechnen lassen muss.

Leistungsunfähigkeit wegen Elternzeit?

Nach der Trennung eines Paares lebte dessen gemeinsamer Sohn bei seinem Vater. Die berufstätige und barunterhaltspflichtige Mutter zog mit ihrem neuen Partner zusammen und bekam eine Tochter. Aus diesem Grund nahm sie zwei Jahre Elternzeit, erhielt für dieselbe Zeit Elterngeld und kümmerte sich nur noch um den Haushalt und ihr Neugeborenes.

Da sie sich aufgrund des nunmehr geringen Einkommens für nicht mehr leistungsfähig hielt, wollte sie ihrem Sohn keinen Unterhalt mehr zahlen. Der jedoch war der Ansicht, dass seine Mutter zumindest einer Nebentätigkeit nachgehen muss – schließlich könne sein Unterhaltsanspruch wegen der Geburt eines weiteren Kindes nicht einfach entfallen. Seine Mutter erwiderte, dass es wenig Sinn gemacht hätte, wenn der Vater ihrer Tochter Elternzeit genommen hätte – erstens verdiene er im Außendienst mehr Geld und zweitens sei er aufgrund gesundheitlicher Beschwerden zu der alleinigen Betreuung eines Babys nicht in der Lage. Ihr dagegen sei es als Angestellte im Innendienst mit einem Festgehalt leichter gefallen, in Elternzeit zu gehen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Keine Zahlungspflicht der Mutter

Der Bundesgerichtshof (BGH) kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter nach der Geburt ihrer Tochter nicht mehr leistungsfähig ist und lehnte eine Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn ab.

Zwar stand der Mutter nicht nur das Elterngeld zu, sondern auch ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Lebensgefährten nach § 1615l Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgrund der Kindsgeburt. Dennoch reichte das Einkommen nicht aus, um zumindest den Mindestunterhalt an den Sohn zu zahlen.

Grundsätzlich trifft den unterhaltspflichtigen Elternteil eines minderjährigen Kindes eine gesteigerte Erwerbspflicht, d. h. er muss alles ihm Mögliche tun, um zumindest den Mindestunterhalt leisten zu können, vgl. § 1603 II BGB. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. Fällt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen etwa wegen Kinderbetreuung (geringer) aus, muss das unterhaltsberechtigte Kind dies hinnehmen, sofern die geänderte Lebensführung des Vaters / der Mutter gerechtfertigt ist. Das wäre unter anderem der Fall, wenn der Lebensgefährte deutlich mehr verdient, als der Unterhaltspflichtige.

Der Rollenwechsel einer berufstätigen Frau zu einer Mutter, die zu Hause bleibt und das Kind betreut, war vorliegend jedoch gerechtfertigt. Da ihr Lebensgefährte im Außendienst deutlich mehr Geld verdiente als sie, wäre es wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, wenn er in Elternzeit gegangen wäre. Auch war er aus gesundheitlichen Gründen nicht zur alleinigen Kindsbetreuung in der Lage. Dagegen konnte die Mutter als Angestellte im Innendienst problemlos Elternzeit nehmen.

Keine Nebentätigkeit während der Elternzeit

Die Unterhaltspflicht entfällt allerdings nicht automatisch mit der Geburt eines weiteren Kindes – und zwar auch dann, wenn der Rollentausch nicht zu beanstanden ist. Daher können frischgebackene Eltern, die sich der Betreuung des Neugeborenen widmen, aufgrund der gesteigerten Erwerbspflicht gegenüber dem älteren Kind dennoch zu einer Nebentätigkeit verpflichtet sein. Das gilt aber nicht, wenn sich die unterhaltspflichtige Person in Elternzeit befindet. In dieser Zeit soll Eltern schließlich ermöglicht werden, sich um ihr Kind zu kümmern und an ihre neuen Lebensumstände zu gewöhnen. Außerdem benötigt ein kleines Kind mindestens bis zum Alter von zwei Jahren ständige Betreuung und Aufsicht. Müsste ein Unterhaltspflichtiger dennoch arbeiten gehen, würde der Sinn und Zweck der Elternzeit leerlaufen.

Vorliegend musste die Mutter in den ersten zwei Jahren nach der Geburt ihrer Tochter somit keine Nebentätigkeit aufnehmen. Im Übrigen würde das daraus erhaltene Einkommen ohnehin den notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 I BGB nicht überschreiten – die Mutter wäre trotzdem leistungsunfähig. Sie musste daher – zumindest für zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes – keinen Unterhalt an den Sohn zahlen.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2015 – XII ZB 181/14

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin – Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de