Stress in der S-Bahn: Beleidigung, Körperverletzung und Sachbeschädigung

Ein 39-Jähriger beleidigte in der S-Bahn zwei junge Frauen, indem er sie als Schlampen bezeichnete und fortwährend belästigte. Ein Fahrgast mischte sich ein und es kam zum laustarken Streit. Der 39-Jährige schlug um sich und trat aus Wut eine Trennscheibe ein. Das Amtsgericht München hat den Mann nun verurteilt.

Der Sachverhalt

Der 39-jährige Mann, der selbst zwei Kinder hat, belästigte die zwei Frauen im Alter von 16 und 17 Jahren weiter, bis ein Fahrgast ihn aufforderte, die beiden in Ruhe zu lassen und auszusteigen. Beim anschließenden Streit stellte er seine Taschen ab, zog seine Jacke aus, schob die Ärmel nach oben und sagte zu dem Fahrgast: Komm zu mir.

Er holte mit seiner rechten Hand aus und schlug nach dem Kopf des Fahrgastes, verfehlte ihn jedoch. Der Fahrgast schubste ihn weg und einige junge Fahrgäste stellten sich zwischen die beiden. Sie schoben den Mann an einer Haltestelle ins Freie. Er spreizte sich in die Türe ein und schrie den Fahrgast an, dass er herkommen solle. Mit schlechtem Deutsch beschimpfte er auch die anderen Fahrgäste, u.a mit „halts Maul“ und „Arschloch“. Plötzlich trat er aus Wut gegen eine Trennscheibe. Diese ging zu Bruch, als er nochmals mit der Faust dagegen schlug. Der Schaden beträgt 300 Euro. Die Mädchen verließen völlig fertig am Harras die S-Bahn.

Das Urteil des Amtsgericht München

Das Amtsgericht München (Urteil, 855 Ds 258 Js 109321/16) verurteilte den Angeklagten wegen Beleidigung, versuchter Körperverletzung und gemeinschädlicher Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten ohne Bewährung.

Im Prozess erklärte die 17-Jährige: „Wir haben weder Ausländer noch Zigeuner gesagt und auch nicht, dass er stinkt. Wir haben auf Facebook gepostet, dass wir denjenigen suchen, der uns geholfen hat. Ein Radiosender hat den (Fahrgast) dann ausfindig gemacht.“ Der Fahrgast wurde im Prozess jedoch nicht als Zeuge vernommen.

Bei der Höhe der Strafe berücksichtigte das Gericht, dass der Angeklagte sich umfassend geständig zeigte und er sich auch bei den Geschädigten entschuldigte. Die Reue des Angeklagten wirkte glaubhaft. Des Weiteren befand sich der Angeklagte im hiesigen Verfahren gut 2 Monate in Untersuchungshaft, was den der deutschen Sprache kaum mächtigen Ausländer besonders hart trifft.

Strafschärfend wirkte sich aus, dass der Mann bereits vorbestraft ist und erst vor der Tat aus der Haft entlassen worden war. Der zuständige Richter führt aus: „Des Weiteren gebieten auch generalpräventive Erwägungen die empfindliche Ahndung von Straftaten im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs.“ Da die Sozialprognose schlecht ist, wurde die Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt.

Gericht:
Amtsgericht München, Urteil vom 02.05.2016 – 855 Ds 258 Js 109321/16

AG München, PM 56/2016
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Ein Leben ohne Kind – Schwangere bei lebendigem Leib verbrannt

Zu jedem Preis wollte der Angeklagte die Schwangerschaft seiner 19-jährigen Ex-Freundin abbrechen, um sein Leben frei und unbeschwert weiterleben zu können. Der andere Angeklagte wollte einfach nur wissen, wie es ist, einen Menschen zu töten. Die Revision der beiden Angeklagten hatte keinen Erfolg.

Der Sachverhalt

Das Landgericht Berlin (Urteil vom 19. Februar 2016) hat die heute 21 Jahre alten Angeklagten wegen Mordes und Schwangerschaftsabbruchs zu Jugendstrafen von jeweils 14 Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen der Jugendkammer lockten die Angeklagten im Januar 2015 die von einem der Angeklagten im achten Monat schwangere 19-jährige Frau nachts in einem einsamen Waldstück in einen Hinterhalt, um sie zu töten. Der werdende Vater wollte durch die Ermordung seiner ehemaligen Freundin die Geburt des Kindes verhindern, um sich so seinen Pflichten als Vater zu entziehen.

Der andere Angeklagte wirkte an der Tat mit, weil er wissen wollte, wie es sei, einen Menschen zu töten. Dieser Angeklagte versetzte der wehrlosen Frau drei bis vier Messerstiche in den Oberkörper. Danach hielt er sie fest, während der andere Angeklagte aus einem Benzinkanister etwa einen Liter Benzin über ihren Kopf und Oberkörper schüttete und das Benzin entzündete. Die junge Frau verbrannte bei lebendigem Leib. Auch das bereits lebensfähige ungeborene Kind verstarb.

Das Landgericht Berlin hat bei beiden Angeklagten die Verwirklichung von drei Mordmerkmalen angenommen (Heimtücke, Grausamkeit sowie niedriger Beweggrund bzw. Mordlust). Unter Anwendung der seit dem Jahr 2012 geltenden Regelung des § 105 Abs. 3 Satz 2 JGG hat es jeweils eine Jugendstrafe von 14 Jahren verhängt. Nach dieser Vorschrift beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe bei Heranwachsenden 15 Jahre, wenn es sich bei der Tat um Mord handelt und das insoweit sonst geltende Höchstmaß von zehn Jahren Jugendstrafe wegen der besonderen Schwere der Schuld des Täters nicht ausreicht.

Ihre Verurteilung haben die Angeklagten mit der Revision angegriffen, wobei ein Verfahrensfehler und die Verletzung sachlichen Recht geltend gemacht worden sind.

Die Entscheidung

Der 5. (Leipziger) Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Rechtsmittel entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts als offensichtlich unbegründet verworfen. Auch die Höhe der verhängten Strafen unter Anwendung der genannten Vorschrift hat keine Rechtsfehler erkennen lassen. Das Urteil des Landgerichts Berlin ist damit rechtskräftig.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.11.2016 – 5 StR 390/16

BGH, PM 207/16
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Gesetzentwurf: Effektive Bekämpfung von sogenannten Gaffern

Gegen Gaffer, die nach einem Unfall fotografieren und filmen statt zu helfen, will der Bundesrat mit einem Gesetzentwurf vorgehen. Zudem soll der strafrechtliche Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen auf verstorbene Personen erweitert werden.

Problem und Ziel

Zunehmend ist festzustellen, dass Schaulustige bei schweren Unfällen die verunglückten Personen mit ihren mobilen Telefonen fotografieren, statt ihnen zu helfen. Über die damit verbundene Missachtung des Persönlichkeitsrechts der Opfer hinaus stellt ein solches Verhalten eine erhebliche Gefahr für die Verunglückten dar.

Schaulustige erschweren oder verhindern in Einzelfällen sogar die Rettung von Verunglückten. Das geltende Recht sanktioniert Behinderungen von Rettungsarbeiten dann, wenn die Behinderungen durch Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt erfolgen bzw. mit einem tätlichen Angriff auf den Hilfeleistenden verbunden sind. Eine Behinderung von Rettungsarbeiten, bei der keine Gewalt im Sinne des § 113 des Strafgesetzbuches (StGB) angewendet wird und kein tätlicher Angriff vorliegt, ist bisher nicht explizit unter Strafe gestellt. Diese Strafbarkeitslücke gilt es im Interesse des Opferschutzes zu schließen.

Zudem gilt es, den strafrechtlichen Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen zu verbessern. Mit zunehmendem technischem Fortschritt kommt es immer häufiger dazu, dass Schaulustige bei Unfällen oder Unglücksfällen Bildaufnahmen oder Videoaufnahmen fertigen und diese über soziale Netzwerke verbreiten. Auch werden Bildaufnahmen an Zeitungen oder Fernsehanstalten weitergegeben. Der strafrechtliche Schutz gegen solche Praktiken ist bisher lückenhaft. Der kürzlich durch das Neunundvierzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches mit Wirkung vom 27. Januar 2015 neu gefasste § 201a StGB schützt lediglich lebende Personen.

Lösung

Die aufgezeigten Regelungslücken sollen geschlossen werden, indem der Schutzbereich des § 201a StGB auf unbefugte Bildaufnahmen verstorbener Personen erweitert und ein neuer § 115 StGB eingefügt wird. Darüber hinaus wird der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 201a StGB durch die Einführung der Versuchsstrafbarkeit vervollständigt. Als Folgeänderung beinhaltet der Gesetzentwurf ferner eine Anpassung des § 205 StGB an den geänderten Schutzbereich des § 201a StGB.

Durch Einführung eines neuen § 115 StGB soll mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfeleistende der Feuerwehr, des Katastrophenschutzes oder eines Rettungsdienstes behindert. Mit der Tathandlung („behindern“) greift § 115 StGB – E einen dem Strafgesetzbuch in § 114 StGB bereits bekannten Begriff auf. Insoweit kann auf die zu § 114 StGB anerkannte Definition zurückgegriffen werden, wonach „behindern“ jedes Verhalten ist, welches die Hilfsmaßnahmen zumindest erschwert. Durch den neuen Straftatbestand werden somit auch das bloße Sitzen – oder Stehenbleiben oder sonstiges Nichtentfernen von Zugangshindernissen erfasst. Dem Umstand, dass über § 114 Absatz 3 StGB hinaus eine Strafbarkeit auch ohne die qualifizierenden Tatmittel „Gewalt“ oder „Drohung mit Gewalt“ begründet wird und damit das verwirklichte Unrecht geringer ist, wird durch einen niedrigeren Strafrahmen Rechnung getragen.

Zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen schlägt der Gesetzentwurf die Erweiterung des Schutzbereichs des § 201a StGB auf verstorbene Personen vor. Insoweit besteht nach geltendem Recht eine Regelungslücke, da Aufnahmen von Toten vom Schutzbereich nicht erfasst sind. Es ergibt sich bereits im Hinblick auf die ausdrückliche Regelung des § 203 Absatz 4 StGB bezüglich verstorbener Betroffener sowie im Umkehrschluss und vor dem Hintergrund von Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes, dass eine „andere Person“ im Sinne des § 201a StGB eine lebende Person sein muss. Die bestehende Schutzlücke wird auch nicht durch Vorschriften des Nebenstrafrechts geschlossen. Denn auch § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und Photographie (KunstUrhG), wonach die Verbreitung eines Bildnisses ohne Einwilligung der Angehörigen eines Verstorbenen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird, bietet keinen umfassenden Schutz. Unter Strafe gestellt wird lediglich die Verbreitung, nicht aber die Fertigung von Aufnahmen selbst. Zum Zeitpunkt der Fertigung der Aufnahmen am Unfallort wird aber regelmäßig noch nicht festgestellt werden können, dass der Hersteller der Aufnahmen auch die Absicht hat, die Aufnahmen zu verbreiten. Das bloße Filmen oder Fotografieren von getöteten Opfern von Unfällen durch Schaulustige, ohne dass zu diesem Zeitpunkt schon konkret die Absicht nachgewiesen werden kann, dass die Aufnahmen auch verbreitet werden, ist daher regelmäßig nach dem Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) nicht strafbar.

Gesetzentwurf: Drucksache 18/9327
Quelle: hib – heute im bundestag Nr. 462 v. 09.08.2016

BGH-Urteil: Haftet Mieter für Schäden nach Wohnungsdurchsuchung?

Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Mieter, der in seiner Wohnung illegale Betäubungsmittel aufbewahrt, gegen seine mietvertraglichen Pflichten verstößt und inwieweit er dem Vermieter zum Ersatz von Schäden verpflichtet ist, die bei einer polizeilichen Durchsuchung der Wohnung entstehen.

Der Sachverhalt

Die Wohnung des beklagten Mieters wurde Ende Juni 2013 aufgrund eines richterlichen Beschlusses durchsucht, der auf den Verdacht des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gestützt war. Von diesem Tatvorwurf wurde der Beklagte später rechtskräftig freigesprochen.

Im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung waren allerdings 26 Gramm Marihuana aufgefunden worden. Insoweit wurde der beklagte Mieter wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Bei der Durchführung der Wohnungsdurchsuchung entstand eiin Schaden an der Wohnungseingangstür.

Beim Polizeieinsatz wurde Wohnungseingangstür beschädigt

Die Klage der Vermieterin auf Ersatz der Reparaturkosten der beim Polizeieinsatz beschädigten Wohnungseingangstür ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen und allein vom Bundesland als Träger der Polizei im Wege der Streithilfe eingelegten Revision verfolgt dieses das Klagebegehren für die Klägerin weiter.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil, Az. VIII ZR 49/16)

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (Urteil, Az. VIII ZR 49/16) hat die Revision zurückgewiesen, da – jedenfalls auf der Grundlage der insoweit maßgebenden tatsächlichen Feststellungen der Instanzgerichte – der beklagte Mieter die entstandenen Schäden nicht verursacht hat.

Zwar hat der beklagte Mieter mit der Aufbewahrung von 26 Gramm Marihuana in der Wohnung die Grenzen vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten und seine gegenüber dem Vermieter bestehende mietvertragliche Obhutspflicht verletzt. Denn ein Mieter hat die Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln und bei ihrer Benutzung alles zu unterlassen, was zu einer Verschlechterung oder einem Schaden an dieser führen kann. Bereits nach allgemeiner Lebenserfahrung muss derjenige, der seine Wohnung als Aufbewahrungsort für illegale Betäubungsmittel nutzt oder zur Verfügung stellt, damit rechnen, dass es im Zuge aufgrund dessen durchgeführter strafprozessualer Maßnahmen – wie Durchsuchungen – zu Schäden an der Wohnung kommen kann.

Fehlender Kausalzusammenhang

Im vorliegenden Fall fehlte es aber an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der allein feststellbaren Pflichtverletzung – Aufbewahrung von 26 g Marihuana in der Wohnung im Juni 2013 – und den bei der Durchsuchung entstandenen Schäden. Denn der dem Durchsuchungsbeschluss zugrunde liegende Tatverdacht (unerlaubtes Handeltreiben in nicht geringer Menge) hat sich weder im Strafverfahren bestätigt noch wurden im vorliegenden Zivilprozess gegenteilige Feststellungen getroffen.

Die danach allein verbleibende, in der Aufbewahrung der 26 Gramm Marihuana in der Wohnung im Juni 2013 liegende Pflichtverletzung des Beklagten kann hinweggedacht werden, ohne dass der bei der Durchsuchung eingetretene Schaden an der Wohnungstür entfiele. Die Ermittlungsmaßnahmen wären in gleicher Weise durchgeführt worden, wenn der Beklagte diese Betäubungsmittel nicht erworben und in der Wohnung aufbewahrt hätte.

Ohne entsprechenden Kausalzusammenhang – die so genannte conditio sine qua non – fehlt es aber bereits am Grunderfordernis einer jeden Schadenszurechnung und ist eine Ersatzpflicht des Beklagten deshalb – auch nach den Vorschriften über unerlaubte Handlungen (§ 823 BGB) – ausgeschlossen.

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Vermieter ein Entschädigungsanspruch gegen das Bundesland als Träger der Polizei zustehen kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 14. März 2013 – III ZR 253/12), stellte sich im vorliegenden Verfahren nicht.

Themenindex:
Kausalität, Bedingungstheorie, Äquivalenztheorie

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 49/16

BGH, PM 226/16
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