Sorgerecht: Wenn Vater und Mutter nicht miteinander können…

Die Unterschiedlichkeit der Lebenswelten der Kindeseltern kann zum Fehlen einer für die Übertragung gemeinsamer elterlicher Sorge notwendigen tragfähigen sozialen Beziehung beitragen, so die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe.

Der Sachverhalt

Nach einer Mitteilung der Deutschen Anwaltshotline, hatte ein Vater seit dem Jahr 1995 ein Aussteigerleben geführt. Die Frau hatte sich fünf Jahre lang allein um das Kind gekümmert. Der Vater hatte das Kind lediglich zur Geburt besucht und ansonsten keinen Kontakt mehr gehabt.

Nach langer Funkstille schickte ihr der Mann in jüngerer Vergangenheit immer wieder Drohbriefe und wollte ihr das Kind wegnehmen. Seine Erziehungsvorstellungen, wie etwa dem Kind den Umgang mit Schusswaffen beizubringen, teilte die Frau nicht.

Das Leben basiere auf „Survival“

Der Vater gab an, sein Leben basiere auf „Survival“. Sobald er kein Geld mehr habe, würde sein Leben erst richtig interessant. Die Absicht, dem Kind das Schießen beibringen zu wollen, begründete er damit, man müsse etwa in Alaska oder Spitzbergen auf die Jagd gehen und sich vor Bären schützen können. Allerdings wolle er dies erst tun, wenn das Kind das passende Alter erreicht habe. Der Mann begehrt ein gemeinsames Sorgerecht.

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Karlsruhe entschied schließlich gegen ein gemeinsames Sorgerecht. Dieses würde hier dem Kindeswohl widersprechen. Die Lebenswelten des Aussteigers und der Mutter seien zu unterschiedlich. Das kann dazu führen, dass die Eltern keinen gemeinsamen Nenner in Erziehungsfragen mehr finden. Aber das sei für das gemeinsame Sorgerecht unverzichtbar.

Richter: Unterschiedliche Lebenswelten können negativen Einfluss haben

Zwar ermögliche die Diskussion unterschiedlicher Auffassungen über Einzelfragen erst die bestmögliche Erziehung. Doch nicht zuletzt durch die Drohbriefe sei das Verhältnis der beiden Elternteile extrem gestört und die nötige soziale Beziehung sei nicht mehr möglich, so das Gericht.

Gericht:
Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 02.04.2015 – 18 UF 253/14

Deutsche Anwaltshotline
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Jugendamt holt Kinder – Haftet Sachverständige für ein fehlerhaftes Gutachten?

Ein vom Jugendamt beauftrages Gutachten ergab einen hochgradigen Verdacht einer Kindesmisshandlung. Als Konsequenz wurden die Kinder in Pflegefamilien untergebracht. Die angeblichen Kindesmisshandlungen stellten sich später als Erbkrankheit der Kinder heraus. Die Eltern verlangen Schmerzensgeld von der Sachverständigen.

Der Sachverhalt

Unter Berufung auf das Gutachten, welches den Verdacht der Kindesmisshandlung äußerte, hatte das Jugendamt beim Familiengericht mit Erfolg den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, wonach ihm das Aufenthaltsrecht für beide Kinder vorläufig übertragen werden sollte.

Mehr als ein halbes Jahr waren die beiden damals 7 und 18 Monate alten Kinder in der Folgezeit bei Pflegefamilien untergebracht. Spätere Gutachten sind  jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die festgestellten Auffälligkeiten Folge einer Erbkrankheit waren.

Die Kläger hatten erstinstanzlich vor dem Landgericht Mainz Schmerzensgeldansprüche sowohl gegenüber der Uniklinik als auch der Beklagten als Verfasserin des fehlerhaften Gutachtens geltend gemacht. Das Landgericht Mainz hatte das Begehren der Kläger auf Verurteilung der Rechtsmedizinerin zur Zahlung von Schmerzensgeld dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und zur Begründung ausgeführt, die unmittelbar vom Jugendamt beauftragte Medizinerin hafte für das grob fehlerhafte und den wissenschaftlichen Standards nicht entsprechende Gutachten auch persönlich. Die gegen die Uniklinik gerichtete Klage hatte das Landgericht hingegen mit der Begründung abgewiesen, mangels eigener Beauftragung habe diese für die Fehler der Rechtsmedizinerin nicht einzustehen.

Gegen das Urteil hatte nur die Rechtsmedizinerin Berufung eingelegt. Sie ist (weiterhin) der Ansicht, dass sie weder vorsätzlich noch fahrlässig eine Fehleinschätzung vorgenommen hat und für etwaige Fehler des im Auftrag des Jugendamts erstellten Gutachtens nicht persönlich haftet.

Die Entscheidung

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil, Az. 1 U 832/15) hat die beklagte Sachverständige, die von einem Jugendamt aus der Pfalz mit der Erstellung eines Gutachtens zum bestehenden Verdacht einer Kindesmisshandlung beauftragt worden war, auf der Grundlage der im Berufungsverfahren vorliegenden Erkenntnisse grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt.

Gericht: Grob fahrlässige Außerachtlassung gutachterlicher Sorgfaltspflichten

Sie habe, so die Ausführungen in dem Urteil, greifbare Alternativursachen für die bei den Kindern festgestellten Auffälligkeiten wie den erblich bedingten sog. „Wasserkopf“ und einen vorangegangenen Verkehrsunfall ohne tragfähige Begründung kategorisch und ohne Vorbehalt ausgeschlossen und sich dabei auch fachfremde Kompetenz, wie eine Unfallanalyse, angemaßt. Dies stelle eine grob fahrlässige Außerachtlassung gutachterlicher Sorgfaltspflichten dar.

Aufgrund der Fehlerhaftigkeit des Gutachtens sei den Eltern vom zuständigen Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder vorläufig entzogen und die Kinder vorübergehend bei Pflegeeltern untergebracht worden. Für das grob fahrlässig erstellte unrichtige Gutachten hafte aber nicht die Sachverständige persönlich, sondern der Landkreis als Träger des die Sachverständige beauftragenden Jugendamtes.

Gericht: Sachverständige haftet nicht persönlich

Denn das Jugendamt mit seiner Wächterfunktion über das Kindeswohl habe die Sachverständige im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages als externe Fachkraft hinzugezogen und seinen beim Familiengericht gestellten Schutzantrag auf deren Gutachten gestützt. Daher habe die Sachverständige bei ihrer Gutachtenerstellung in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt, sodass sie für ihr grob fahrlässig erstelltes unrichtiges Gutachten nicht persönlich einzustehen habe, sondern die Körperschaft, die sie beauftragt hat.

Gericht:
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 18.03.2016 – 1 U 832/15

OLG Koblenz
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Neue Düsseldorfer Tabelle ab 01.08.2015

Zum 01.08.2015 wird die „Düsseldorfer Tabelle“ geändert. Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden erhöht. Die Erhöhung der Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder beruht auf dem am 22.07.2015 verkündeten Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags.

Neue Düsseldorfer Tabelle ab 01.08.2015

Der steuerliche Kinderfreibetrag für das Jahr  2015 steigt von bisher 4.368,00 € um 144,00 € auf 4.512,00 €. Unter Berücksichtigung des neuen Kinderfreibetrags von 4.512,00 € steigt der Mindestunterhalt

  • eines Kindes bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (1. Altersstufe) von bisher mtl. 317,00 € auf mtl. 328,00 €,
  • eines Kindes vom siebten bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres (2. Altersstufe) von mtl. 364,00 € auf mtl. 376,00 €
  • und der eines Kindes ab dem 13. Lebensjahr bis zu Volljährigkeit (3. Altersstufe) von bisher mtl. 426,00 € auf mtl. 440,00 €.

Der Unterhalt volljähriger Kinder berechnet sich nach dem Bedarfssatz der 3. Altersstufe zuzüglich der Differenz zwischen der 2. und 3. Altersstufe. Er steigt daher von mtl. 488,00 € auf mtl. 504,00 €.

Zwar wird der steuerliche Kinderfreibetrag rückwirkend zum 01. Januar 2015 erhöht, die Unterhaltssätze steigen jedoch erst ab dem 01. August 2015.

Das Kindergeld wird rückwirkend zum 1. Januar 2015 um jeweils 4,00 € erhöht und zwar von monatlich 184,00 € auf 188,00 € für ein erstes und zweites Kind, von 190,00 € auf 194,00 € für ein drittes Kind und von 215,00 € auf 219,00 € für das vierte und jedes weitere Kind. Das Kindergeld ist in der Regel zur Hälfte auf den Unterhaltsbedarf anzurechnen. Aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ist für das Jahr 2015 bei der Berechnung des Zahlbetrages jedoch nicht von den erhöhten, sondern von den bisherigen Kindergeldbeträgen (184,00 €, 190,00 € und 215,00 €) auszugehen.

Weitere Erhöhungen zum 1. Januar 2016

Die Bedarfssätze unterhaltsberechtigter Kinder werden sich voraussichtlich zum 1. Januar 2016 weiter erhöhen, da der steuerliche Kinderfreibetrag zu diesem Zeitpunkt von 4.512,00 € auf 4.608,00 € steigen wird. Da deshalb die ab dem 01.08.2015 gültige Tabelle zum 01.01.2016 aufgrund dieses höheren Kinderfreibetrages wohl erneut eine Änderung zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder erfahren wird, sind mit der Neufassung der Tabelle zum 01. August 2015 nur die Bedarfssätze angepasst und von weiteren Änderungen – etwa Erhöhung des Bedarfs für Studenten von derzeit 670,00 € – zunächst abgesehen worden. Diese bleiben der Änderung der Tabelle zum 01.01.2016 vorbehalten.

Hier finden Sie die Düsseldorfer Tabelle 2015 Stand: 01.08.2015 im pdf-Format auf der Seite des OLG Düsseldorf.

OLG Düsseldorf
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Mutter verweigert den Umgang mit dem gemeinsamen Kind

Vor dem OLG München haben die getrenntlebenden Eltern eine Vereinbarung zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind getroffen. Doch die Mutter hielt sich nicht an die Vereinbarung und sagte den Umgang immer kurzfristig ab. In so einem Fall kann vom Gericht die Anwendung von unmittelbarem Zwang angeordnet werden.

Der Sachverhalt

Die Eltern vom 7-jährigen Michael (Name geändert) haben sich getrennt und Michael lebt nun bei seiner Mutter in München. Vor dem Oberlandesgericht München haben die Eltern eine Vereinbarung zum Umgang mit dem gemeinsamen Kind getroffen. Danach darf der Vater seinen Sohn alle 14 Tage am Samstag sehen.

Das funktionierte lediglich zweimal, danach gab es ständige Absagen durch die Mutter. Zu jedem Termin war Michael erkrankt, ohne jedoch geeignete Atteste vorzulegen, die das belegen. Ein anderer Umgangstermin wurde von der Mutter mit der Begründung abgesagt, dass Michael zu einer Feier eingeladen sei und nicht kommen könne.

In einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht München hat sie bereits 1 Tag Ordnungshaft bekommen im Jahr 2013, weil sie sich auch damals nicht an die Umgangsregelung gehalten hat. Der zuständige Familienrichter am Amtsgericht München erließ einen Beschluss, dass zur Durchsetzung des Umgangsrechts des Vaters unmittelbarer Zwang (nicht gegen das Kind) angeordnet wird. Er beauftragte einen vom Gericht bestellten Umgangspfleger mit der Vollstreckung unter Zuhilfenahme von einem Gerichtsvollzieher und der Polizei, wobei die Wohnung der Mutter betreten werden darf.

Die Aussage des Kindes vor Gericht

Michael sagte vor Gericht aus, dass er seinen Papa zweimal gesehen habe. Es sei cool gewesen, mit ihm Fußball zu spielen und zu Burger King zu gehen. Er möchte den Papa wiedersehen und könnte ihn auch alleine bei sich treffen oder Papa könne zu ihm nach Hause kommen, was aber die Mama nicht möchte. Er könnte mit Papa zum Schwimmen ins Schwimmbad gehen. Michael möchte den Papa wieder öfter sehen, weil er noch mit ihm Karten spielen müsse.

Jedes mal wurde die Wohnung aufgebrochen

Mit Beschluss vom 16.6.2015 hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Richters am Amtsgericht bestätigt. Daraufhin gewährte die Mutter im Juli 2015 viermal (freiwillig) den Umgang. In der Folgezeit kam es zu keinen weiteren Treffen. Daraufhin wurde unmittelbarer Zwang bei zwei Umgangstreffen im Oktober angewendet. Jedes Mal wurde die Wohnung aufgebrochen, aber Mutter und Kind wurden nicht angetroffen.

Der zuständige Richter hat daraufhin den Umgangsbeschluss abgeändert und Ende Oktober 2015 festgelegt, dass das Kind jeden Freitagnachmittag zum Vater darf. Diese Reglung scheint nun zum Ziel zu führen. Sie wird weitgehend eingehalten.

Rechtsgrundlagen:
§ 90 FamFG Anwendung unmittelbaren Zwanges

Gericht:
Amtsgericht München, Beschluss vom 13.03.2015

AG München
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Entfällt die Unterhaltspflicht nach einer weiteren Kindsgeburt?

Patchworkfamilien sind keine Seltenheit. So leben mittlerweile viele minderjährige Kinder mit nur einem Elternteil und dessen neuen Lebensgefährten/neuer Lebensgefährtin unter einem Dach. Aus diesen Beziehungen gehen häufig erneut Kinder hervor – was unterhaltsrechtlich aber oftmals für Streitigkeiten sorgen kann.

Kann ein Unterhaltspflichtiger wegen der Betreuung eines Neugeborenen nämlich keiner Beschäftigung mehr nachgehen und daher auch keinen Unterhalt mehr an ein von ihm getrennt lebendes Kind zahlen, ist Streit vorprogrammiert. Es stellt sich dann die Frage, ob die Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit entfällt oder ob sich der Unterhaltspflichtige ein fiktives Einkommen zurechnen lassen muss.

Leistungsunfähigkeit wegen Elternzeit?

Nach der Trennung eines Paares lebte dessen gemeinsamer Sohn bei seinem Vater. Die berufstätige und barunterhaltspflichtige Mutter zog mit ihrem neuen Partner zusammen und bekam eine Tochter. Aus diesem Grund nahm sie zwei Jahre Elternzeit, erhielt für dieselbe Zeit Elterngeld und kümmerte sich nur noch um den Haushalt und ihr Neugeborenes.

Da sie sich aufgrund des nunmehr geringen Einkommens für nicht mehr leistungsfähig hielt, wollte sie ihrem Sohn keinen Unterhalt mehr zahlen. Der jedoch war der Ansicht, dass seine Mutter zumindest einer Nebentätigkeit nachgehen muss – schließlich könne sein Unterhaltsanspruch wegen der Geburt eines weiteren Kindes nicht einfach entfallen. Seine Mutter erwiderte, dass es wenig Sinn gemacht hätte, wenn der Vater ihrer Tochter Elternzeit genommen hätte – erstens verdiene er im Außendienst mehr Geld und zweitens sei er aufgrund gesundheitlicher Beschwerden zu der alleinigen Betreuung eines Babys nicht in der Lage. Ihr dagegen sei es als Angestellte im Innendienst mit einem Festgehalt leichter gefallen, in Elternzeit zu gehen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Keine Zahlungspflicht der Mutter

Der Bundesgerichtshof (BGH) kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter nach der Geburt ihrer Tochter nicht mehr leistungsfähig ist und lehnte eine Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn ab.

Zwar stand der Mutter nicht nur das Elterngeld zu, sondern auch ein Unterhaltsanspruch gegen ihren Lebensgefährten nach § 1615l Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) aufgrund der Kindsgeburt. Dennoch reichte das Einkommen nicht aus, um zumindest den Mindestunterhalt an den Sohn zu zahlen.

Grundsätzlich trifft den unterhaltspflichtigen Elternteil eines minderjährigen Kindes eine gesteigerte Erwerbspflicht, d. h. er muss alles ihm Mögliche tun, um zumindest den Mindestunterhalt leisten zu können, vgl. § 1603 II BGB. Hiervon gibt es allerdings Ausnahmen. Fällt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen etwa wegen Kinderbetreuung (geringer) aus, muss das unterhaltsberechtigte Kind dies hinnehmen, sofern die geänderte Lebensführung des Vaters / der Mutter gerechtfertigt ist. Das wäre unter anderem der Fall, wenn der Lebensgefährte deutlich mehr verdient, als der Unterhaltspflichtige.

Der Rollenwechsel einer berufstätigen Frau zu einer Mutter, die zu Hause bleibt und das Kind betreut, war vorliegend jedoch gerechtfertigt. Da ihr Lebensgefährte im Außendienst deutlich mehr Geld verdiente als sie, wäre es wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, wenn er in Elternzeit gegangen wäre. Auch war er aus gesundheitlichen Gründen nicht zur alleinigen Kindsbetreuung in der Lage. Dagegen konnte die Mutter als Angestellte im Innendienst problemlos Elternzeit nehmen.

Keine Nebentätigkeit während der Elternzeit

Die Unterhaltspflicht entfällt allerdings nicht automatisch mit der Geburt eines weiteren Kindes – und zwar auch dann, wenn der Rollentausch nicht zu beanstanden ist. Daher können frischgebackene Eltern, die sich der Betreuung des Neugeborenen widmen, aufgrund der gesteigerten Erwerbspflicht gegenüber dem älteren Kind dennoch zu einer Nebentätigkeit verpflichtet sein. Das gilt aber nicht, wenn sich die unterhaltspflichtige Person in Elternzeit befindet. In dieser Zeit soll Eltern schließlich ermöglicht werden, sich um ihr Kind zu kümmern und an ihre neuen Lebensumstände zu gewöhnen. Außerdem benötigt ein kleines Kind mindestens bis zum Alter von zwei Jahren ständige Betreuung und Aufsicht. Müsste ein Unterhaltspflichtiger dennoch arbeiten gehen, würde der Sinn und Zweck der Elternzeit leerlaufen.

Vorliegend musste die Mutter in den ersten zwei Jahren nach der Geburt ihrer Tochter somit keine Nebentätigkeit aufnehmen. Im Übrigen würde das daraus erhaltene Einkommen ohnehin den notwendigen Selbstbehalt nach § 1603 I BGB nicht überschreiten – die Mutter wäre trotzdem leistungsunfähig. Sie musste daher – zumindest für zwei Jahre nach der Geburt ihres zweiten Kindes – keinen Unterhalt an den Sohn zahlen.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.02.2015 – XII ZB 181/14

Sandra Voigt
Assessorin
Redakteurin – Juristische Redaktion
Ein Beitrag von anwalt.de

Ehemann verkauft nach Trennung türkischen Brautschmuck

Während der Hochzeitsfeier in der Türkei türkischstämmiger Brautleute wurde der Braut Goldschmuck umgehängt. Nach der Trennung der Eheleute verkaufte der Mann ohne Zustimmung der Ehefrau den Schmuck. Die Ehefrau verlangt ca. 29.100 Euro Schadensersatz. Gilt der umgehängte Schmuck regelmäßig als Geschenk für die Braut?

Der Sachverhalt

Ehemann und Ehefrau leben seit dem Jahr 2011 getrennt. Im Jahr 2009 hatten sie zunächst in Kreuztal standesamtlich geheiratet und im Anschluss hieran ihre Hochzeit in der Türkei gefeiert. Anlässlich dieser Hochzeitsfeier übergaben verschiedene Verwandte der Ehefrau mehrere Schmuckstücke.

Sie erhielt eine Goldkette, 14 gemusterte und zwei glatte Armreifen aus Gold sowie eine Armkette und eine Halskette, ebenfalls jeweils aus Gold. Die Schmuckstücke trug die Ehefrau während der Hochzeitsfeier und auch einige Wochen danach. Im Einvernehmen mit ihrem Ehemann übergab sie den Schmuck an dessen Bruder, der diesen in einem Schließfach verwahren sollte.

Nach der Trennung der Eheleute händigte der Bruder dem Ehemann die Schmuckstücke aus, der sie in der Folgezeit ohne Zustimmung seiner Ehefrau in der Türkei für umgerechnet ca. 14.300 Euro verkaufen ließ. Mit der Begründung, dass der Schmuck einen Wert von ca. 29.100 Euro gehabt habe, hat die Ehefrau vom Ehemann nach Bekanntwerden der Veräußerung Wertersatz verlangt. Nach Einholung eines Wertgutachtens hat das Familiengericht der Ehefrau ca. 27.300 Euro zugesprochen. Die Beschwerde des Ehemanns gegen den erstinstanzlichen Beschluss des Familiengerichts ist erfolglos geblieben.

Die Entscheidung

Brautschmuck, der der Ehefrau türkischstämmiger Brautleute bei einer in der Türkei stattfindenden Hochzeit umgehängt wird, gilt regelmäßig als Geschenk für die Braut. Veräußert der Ehemann diesen Schmuck ohne Zustimmung der Ehefrau, kann er ihr gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet sein.

An dem ihr bei der Hochzeit überreichten Goldschmuck habe die Ehefrau, so der 4. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm, Alleineigentum erworben. Nach dem für die Hochzeitsfeier in der Türkei maßgeblichen türkischen Zivilrecht werde Goldschmuck, der einer Frau während der Hochzeit umgehängt werde, als ihr geschenkt angesehen, und zwar unabhängig davon, wer den Schmuck gekauft habe. Das gelte auch im vorliegenden Fall.

Den Gegenbeweis dafür, dass der Schmuck nicht seiner Ehefrau, sondern ihm geschenkt werden sollte, habe der Ehemann nicht geführt. Mit der Veräußerung des Schmucks habe der Ehemann das Eigentum der Ehefrau verletzt. Deswegen habe er Schadensersatz in Höhe des Wertes des Schmuckes zu leisten, den das Amtsgericht mithilfe des eingeholten Sachverständigengutachtens zutreffend ermittelt habe.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 25.04.2016 – 4 UF 60/16

OLG Hamm, PM
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