Abgasskandal – Klage eines Pkw-Käufers gegen ein Autohaus stattgegeben

Nach Urteil des LG Braunschweig könne sich das beklagte Autohaus nicht darauf berufen, dass ein unerheblicher Mangel wegen verhältnismäßig geringfügiger Nachbesserungskosten (100€) vorliege. Bereits die Tatsache, dass nach Ablauf eines Jahres noch nicht klar sei, ob und wie der Mangel behoben werden könne, spreche gegen die Unerheblichkeit.

Der Sachverhalt

Der Kläger erwarb aufgrund einer Bestellung im April 2015 bei dem Beklagten, der ein Autohaus betreibt, einen fabrikneuen Skoda Fabia 1.6 TDI zu einem Kaufpreis von 11.960 €. Der Skoda ist mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet. Dieser Motor verfügt über eine Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens auf dem Prüfstand.

Mit Schreiben vom 05.10.2015 setzte der Kläger dem Autohaus eine Frist zur Mängelbeseitigung bis zum 27.10.2015. Eine Nachbesserung, beispielsweise in Form des Aufspielens einer neuen Software, ist auch in der Folgezeit nicht erfolgt und auch nicht angeboten worden. Zum Entwicklungsprozess für die Mängelbeseitigung ist durch den Beklagten nichts vorgetragen worden. Im Rahmen der Klageschrift erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er ist der Auffassung, die Abschaltsoftware sei illegal und stelle einen Sachmangel dar.

Das Autohaus ist der Ansicht, dass der Pkw weiterhin fahrtauglich und daher nicht mangelhaft sei. Selbst wenn ein Mangel vorliege, sei die zugrunde liegende Pflichtverletzung unerheblich, da der Mangel jedenfalls mit einem geringen Kostenaufwand (ca. 100 €) beseitigt werden könne.

Das Urteil des Landgerichts Braunschweig

Das Landgericht Braunschweig (Urteil, Az. 4 O 202/16) hat der Klage weitestgehend stattgegeben, weil die Voraussetzungen des Rücktritts vom Kaufvertrag erfüllt seien. Die in dem Pkw installierte Software zur Beeinflussung der Schadstoffemissionen im Testbetrieb stelle einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar.

Der Kläger habe auch eine Frist zur Nachbesserung gesetzt. Durch die Fristsetzung im Oktober 2015 sei eine angemessen lange Frist zur Nacherfüllung in Gang gesetzt worden, die fruchtlos verstrichen sei.

Gericht: Es handelt sich nicht um einen unerheblichen Mangel

Ferner handele es sich nicht um einen unerheblichen Mangel. Auch wenn die Behauptung der Beklagten, die Mängelbeseitigung könne durch einen Kostenaufwand von ca. 100 € (Aufspielen einer neuen Software) beseitigt werden, zutreffend wäre, liege eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung vor. Bereits die Tatsache, dass nach Ablauf eines Jahres noch nicht klar sei, ob und wie der Mangel behoben werden könne, spreche gegen die Unerheblichkeit.

Noch kein Termin für eine Nachbesserung in Sicht…

Schließlich habe die Beklagtenseite nicht konkret vortragen können, wie die Mangelbeseitigung bei diesem betroffenen Motorentyp erfolgen könne und wann diese stattfinden könne. Der Beklagte könne sich im vorliegenden Fall nicht darauf berufen, dass ein unerheblicher Mangel wegen verhältnismäßig geringfügiger Nachbesserungskosten vorliege, wenn er die Nacherfüllung in absehbarer Zeit nicht durchführen könne. Die Unsicherheit, ob und wann eine vollständige Nachbesserung möglich ist, falle dem Beklagten zur Last.

Themenindex:
Abgasskandal, Schummelsoftware

Gericht:
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 12.10.2016 – 4 O 202/16

LG Braunschweig
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Glatteis auf Kreisstraßen – Wann muss gestreut werden?

Nach der Entscheidung des Oberlandesgericht Hamm muss Glatteis auf Kreisstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich hingenommen werden. Der Verkehrssicherungspflichtige muss nur an besonders gefährlichen Stellen streuen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen.

Der Sachverhalt

Die Außentemperatur betrug ca. 3 Grad Celsius und die Klägerin passierte mit ihrem Fahrzeug ein kleines Waldstück, danach grenzten Baumreihen an den linken Fahrbahnrand. In der Linkskurve geriet die Klägerin mit ihrem Fahrzeug infolge von Eisglätte ins Schlingern. Sie verlor die Kontrolle über ihr Fahrzeug.

Sie kam von der Fahrbahn ab, prallte gegen eine Baumgruppe und kippte um. Die Klägerin und ihre Beifahrerin erlitten Verletzungen und mussten von der Feuerwehr aus dem Fahrzeug geborgen werden. Mit der Begründung, die Unfallstelle sei wegen überfrierender Nässe – für sie nicht erkennbar – spiegelglatt gewesen und vom beklagten Kreis Recklinghausen verkehrssicherungspflichtwidrig nicht gestreut worden, hat die Klägerin vom Kreis Schadensersatz begehrt.

Sie verlangte rund 2.300 Euro für den am Fahrzeug entstandenen Schaden, ca. 3.900 Euro Haushaltsführungsschaden und ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000 Euro.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm

Das Schadensersatzbegehren der Klägerin ist erfolglos geblieben. Der Unfall beruhe nicht auf einer Amtspflichtverletzung des beklagten Kreises, so das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil, Az. 11 U 121/15). Dieser habe an der Unfallstelle nicht streuen müssen, um der Gefahr einer Glatteisbildung vorzubeugen oder vorhandenem Glatteis entgegenzuwirken.

Auf öffentlichen Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften müsse der Verkehrssicherungspflichtige gegen die Gefahr einer Glatteisbildung nur an besonders gefährlichen Stellen vorgehen. Eine besonders gefährliche Stelle in diesem Sinne liege nur dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straßen zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der gebotenen erhöhten Sorgfalt den gefährlichen Zustand der Straßen nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deswegen die Glatteisgefahr nicht meistern könne. An einer derartigen Stelle sei die Klägerin nicht verunfallt.

Klägerin kein Idealfahrer

Ein umsichtiger Fahrer hätte an der Unfallstelle bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich mit Glätte durch Eis oder Raureif gerechnet und seine Fahrweise darauf eingestellt. In einem Gebiet mit – wie vorliegend – abschnittsweise neben der Straße befindlichen Waldbeständen und damit unterschiedlicher Sonneneinstrahlung auf die Straßenoberfläche müsse ein umsichtiger Kraftfahrer auch mit überraschendem Auftreten von Glätte rechnen und seine Fahrweise dementsprechend anpassen.

Im Bereich der Unfallstelle lägen keine außergewöhnlichen gefahrenträchtigen Straßenverhältnisse vor. Dort weise die Fahrbahn kein besonderes Gefälle und keine seitliche Neigung o.ä. auf, die eine besondere Gefährlichkeit begründen könnten. Die Straßenführung sei für einen herannahenden Verkehrsteilnehmer gut sichtbar.

Gericht:
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 12.08.2016 – 11 U 121/15

OLG Hamm,  PM
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BGH-Urteil Autokauf – Sporadischer Fehler als sicherheitsrelevanter Mangel

Der Kläger stellte kurz nach Kauf eines Gebrauchtwagens fest, dass immer mal wieder das Kupplungspedal am Fahrzeugboden hängen blieb und dieses in die Ausgangsposition zurückgezogen werden musste. Der Händler konnte bei einer Tesfahrt nichts feststellen und sah keinen Anlass zur Nachbesserung.

Der Sachverhalt

Der Kläger kaufte bei einem Kraftfahrzeughändler einen gebrauchten Volvo zum Preis von 12.300 Euro. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeuges bemängelte der Kläger u.a., das Kupplungspedal sei nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben, so dass es in die Ausgangsposition habe zurückgezogen werden müssen.

Bei einer daraufhin vom Händler durchgeführten Untersuchungsfahrt trat der gerügte Mangel am Kupplungspedal auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger geltend macht, er habe gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden, will der Händler ihm lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangelhaftigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle.

Händler zeigt keine Reparaturbereitschaft

Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, den Händler zu einer Äußerung über seine Reparaturbereitschaft zu bewegen, trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage war in zweiter Instanz erfolgreich gewesen. Mit der Revision verfolgt der Händler das auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Der Bundesgerichtshof hat durch Urteil (Az. VIII ZR 240/15) entschieden, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrssicherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.

Der Kläger hat den Anforderungen an ein hinreichendes Nacherfüllungsverlangen bereits dadurch genügt, dass er dem Fahrzeughändler neben der Einräumung einer Untersuchungsmöglichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.

Bei dem durch Sachverständigengutachten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen „Komfortmangel“, sondern um einen sicherheitsrelevanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerksamkeitsverlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen. Mit der Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangelhaftigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist der Händler dem Nacherfüllungsverlangen nicht gerecht geworden.

Denn eine verantwortungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehrsunsichere Zustand fortbestand und es dem Kläger – der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte – nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 €) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrssicherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

Gericht:
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2016 – VIII ZR 240/15

BGH, PM 190/16
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§ 12 StVO: Längenbegrenzung einer Bordsteinabsenkung?

Das Amtsgericht hat sich im Ergebnis gegen das Oberlandesgericht Köln gestellt, das von einer Bordsteinabsenkung im Rechtssinne nur ausgeht, wenn der abgesenkte Bereich eine Strecke von einigen Metern (etwa einer PKW-Länge) nicht überschreitet.

Aus der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten

In der Sache geht es um eine VerkehrsOrdnungswidrigkeit wegen Falschparkens an einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Bordsteinabsenkung. Das Amtsgericht hat bei einem auf die Strecke von vier Fahrzeuglängen abgesenkten Bord eine Bordsteinabsenkung im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO angenommen.

Damit hat es sich im Ergebnis gegen das OLG Köln (DAR 1997, 79) gestellt, das von einer Bordsteinabsenkung im Rechtssinne nur ausgeht, „wenn der abgesenkte Bereich eine Strecke von einigen Metern (etwa einer PKW-Länge) nicht überschreitet“.

Die Frage, ob die im angefochtenen Urteil festgestellte deutlich längere Absenkung unter § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO fällt, ist entscheidungserheblich, weil das Amtsgericht nach dieser Vorschrift nicht hätte verurteilen dürfen, wenn es der veröffentlichten Rechtsprechung gefolgt wäre.

Die Entscheidung des Kammergerichts

Das Amtsgericht hat den Rechtsbegriff der Bordsteinabsenkung nicht verkannt. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass auch ein Bordstein, der auf einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Strecke abgesenkt ist, ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO begründen kann (so auch König in Hentschel/König/Dauer, StVR 43. Aufl., § 12 StVG Rn. 49; Huppertz, Halten – Parken – Abschleppen, 3. Aufl., Rn. 1510; ders. in DAR 1997, 504) und dass maßgeblich die bauliche Gestaltung im Einzelfall ist (vgl. Huppertz, DAR 1997, 504).

Die vom OLG Köln angenommene Begrenzung auf eine Fahrzeuglänge ist dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen. Eine Bordsteinabsenkung setzt nach dem Wortsinn lediglich voraus, dass es in unmittelbarer Nähe eine „regulär“ höhere Bordsteinkante gibt, das heißt: Im Anschluss an die Absenkung muss der Bordstein wieder höher werden (vgl. Hentschel, NJW 1992, 2062; Berr/Hauser/Schäpe, aaO, Rn. 246c). Denn „abgesenkt“ ist etwas anderes als „niedrig“ und auch als „unterbrochen“ (vgl. Bouska, DAR 1998, 385 [zu § 10 Satz 1 StVO]). Eine Längenbegrenzung ergibt sich aus dem Begriff der Absenkung jedenfalls nicht.

Leitsatz:
Auch ein Bordstein, der auf einer eine Fahrzeuglänge überschreitenden Strecke abgesenkt ist (hier: etwa 20 Meter), kann ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 Nr. 5 StVO begründen.

Gericht:
Kammergericht Berlin, Beschluss vom 22.06.2015 – 3 Ws (B) 291/15, 3 Ws (B) 291/15 – 122 Ss 88/15

KG Berlin
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